Verhaltenssüchte

Nicht nur psychoaktive Wirkstoffe, sondern auch Verhaltensweisen, können eine Veränderung der Stimmung herbeiführen. Das mit dem jeweiligen Verhalten erzeugte Gefühl der Entspannung oder der Euphorie kann ähnlich wie eine Droge abhängig machen. Zu den Verhaltenssüchten zählen unter anderem die Sucht nach Glücksspielen, der pathologische Internetgebrauch, Sexsucht, Kaufsucht und Essstörungen.

Essstörungen sind in der Bevölkerung weit verbreitet. Das problematische Essverhalten bleibt in vielen Fällen dem Umfeld verborgen. Insbesondere dann, wenn es nicht mit starker Gewichtszunahme, wie beim binge-eating, oder Gewichtsverlust, wie bei der Anorexie, einhergeht. Die einzelnen Formen der Essstörungen verändern sich oft im Laufe des Lebens. Manchmal geht eine Anorexie in eine Bulimie über. Die Essstörung kann in manchen Etappen des Lebens in den Hintergrund und in Krisenzeiten dann wieder stärker in Erscheinung treten. Problematisches Essverhalten findet sich in jeder Altersgruppe und betrifft, wie man seit geraumer Zeit weiß, nicht ausschließlich Frauen. Die Essstörung mit dem höchsten Grad der Verbreitung stellt die Bulimie dar. Sie kann in unterschiedlichen Formen auftreten. Betroffene haben bisweilen mehrere Essanfälle pro Tag mit anschließendem Erbrechen. Manchen entgleitet die Kontrolle über ihr Essverhalten nur selten. Nicht immer wird das Gewicht durch Erbrechen reguliert. Die Einnahme von Abführ- und Entwässerungsmitteln, exzessiver Sport oder Fasten in Anschluss an eine Essattacke sind ebenfalls Methoden, um eine Gewichtszunahme zu verhindern.

Essstörungen neigen, vor allem unbehandelt, dazu, chronisch zu werden. Die gesundheitlichen Folgeschäden nehmen mit fortschreitendem Alter zu. Es lohnt sich, auch bei bereits lange bestehender Essstörung, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Auch wenn Symptomfreiheit nicht erreichbar scheint, so kann mit einem akzeptanzorientierten Zugang ein psychisch und körperlich weniger belastendes Essverhalten entwickelt werden.

Manche Menschen leiden an ihrem übersteigerten sexuellen Verlangen. Von einer, auch als Hypersexualität bezeichneten Störung spricht man erst dann, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind. Obwohl man etwa durch das Ausleben der sexuellen Wünsche die Partnerschaft und/oder den Arbeitsplatz gefährdet und man sich in finanzielle Schwierigkeiten bringt, kann man seine sexuellen Bedürfnisse nicht kontrollieren. Laut Forschung handelt es sich bei den Betroffenen um 80 Prozent Männer und 20 Prozent Frauen. Sexsüchtige Frauen suchen selten professionelle Hilfe auf. Ihnen fällt es meistens schwer, sich jemandem anzuvertrauen, da ein hohes Maß an sexueller Aktivität und Promiskuität bei Frauen in unserer Gesellschaft immer noch als unmoralisch gelten.

Folgende Merkmale sind charakteristisch für Sexsucht:

  1. Eine hohe Frequenz an Masturbation: Die Selbstbefriedigung besitzt meistens einen höheren Stellenwert als die partnerschaftliche Sexualität. Sie geht häufig mit Pornografiekonsum einher.
  2. Ein exzessiver Pornografiekonsum: Durch die leichte Verfügbarkeit eines breiten Spektrums an Pornografie im Internet sind anfällige Personen besonders gefährdet, die Kontrolle über den Konsum zu verlieren. Private und berufliche Verpflichtungen werden in Phasen des exzessiven Konsums stark vernachlässigt.
  3. Promiskuität und Sexualkontakte mit wechselnden Sexualpartner_innen: Die einen konzentrieren sich auf der Suche nach immer wieder neuen Abenteuern auf Prostituierte, andere halten in ihrem Alltag ständig Ausschau nach neuen Sexobjekten. Für die Eroberung werden vielfach Chatrooms und Online-Partnerschaftsportale genutzt. Hat man die Frau oder den Mann erst einmal “herum gekriegt”, sei es virtuell oder realweltlich, ist der Reiz schnell verflogen.

Psychotherapeutische Behandlung

Psychotherapeutische Hilfe wird oft dann in Anspruch genommen, wenn das problematische Sexualverhalten in Konflikt mit anderen Bereichen des Lebens gerät. Etwa dann, wenn die Partnerin von den außerpartnerschaftlichen sexuellen Aktivitäten erfährt und die Beziehung gefährdet ist.

Die Wurzeln für das übersteigerte sexuelle Verlangen lassen sich meist in der Kindheit und Jugend finden. Früh schon haben diese Männer und Frauen Sexualität als Mittel zum Trost und zur Selbstberuhigung entdeckt. Betroffenen fällt es oftmals schwer, mit den eigenen Gefühlen in Kontakt zu kommen und Nähe herzustellen.

In der Psychotherapie soll der Klient/die Klientin zunächst einmal lernen, das Sexualverhalten besser zu steuern. Die Therapie unterstützt dabei, neue und geeignetere Wege der Befriedigung von emotionalen Bedürfnissen zu finden.

Manche Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung fühlen sich, besonders in Krisenphasen, von ihren sexuellen Impulsen getrieben. Sexualität dient als Mittel zur Kompensation von Unruhe und innerer Leere. Auf der Suche nach Intensität gehen Menschen in solchen Gefühlzuständen oftmals Risiken in der Sexualität ein. Besonders unter dem Einfluss von Alkohol oder anderen Drogen setzen sie sich der Gefahr aus, sich mit sexuellen Grenzerfahrungen psychisch zu überfordern oder sexuelle Übergriffe zu erleben. Darüber hinaus besteht das Risiko, durch ungeschützten Geschlechtsverkehr, ungewollt schwanger zu werden oder sich mit einer sexuell übertragbaren Krankheit anzustecken.

Ein Ziel der psychotherapeutischen Behandlung besteht erst einmal darin, durch Entwicklung von Selbstfürsorge auch in exzessiven Phasen ein gewisses Maß an Sicherheit zu gewährleisten.