Sucht betrifft das gesamte Familiensystem

Da Sucht das gesamte Familiensystem betrifft, benötigen auch Angehörige dringend professionelle Unterstützung. Wenn die eigene Verstrickung in die Abhängigkeit bewusst wird, kann die Beziehung zum suchtkranken Familienmitglied, sei es Partner_in, Sohn oder Tochter, Bruder oder Schwester, zusehends freier gestaltet werden.

 

Wenn Eltern feststellen, dass ihr Kind an einer Abhängigkeitserkrankung leidet, stürzt sie diese Erkenntnis meistens in tiefe Verzweiflung. Die Bemühungen, das Kind vom selbstschädigenden Verhalten abzubringen, bleiben zunächst oft ohne Erfolg. Eltern fragen sich, was sie in der Erziehung falsch gemacht haben bzw. was sie bisher unterlassen haben, um Tochter oder Sohn zu helfen. Ihre Gedanken kreisen ständig um die Tochter, die kaum mehr Nahrung zu sich nimmt und immer dünner wird oder um den Sohn, der fast täglich betrunken nach Hause kommt. Die Sorge, das Kind an die Sucht zu verlieren, drängt alle anderen Belange im Leben in den Hintergrund.

Wer von sich glaubt, als Mutter bzw. Vater versagt zu haben, empfindet meistens Scham.

Schuld- und Schamgefühle lassen es oft lange Zeit nicht zu, sich anderen anzuvertrauen und Hilfe zu suchen.

 

Das Aufwachsen mit einem suchtkranken Geschwister legt sich häufig wie ein Schatten über die eigene Kindheit und Jugend. Der “schwierige” Bruder bzw. die “komplizierte” Schwester beansprucht den Großteil der elterlichen Aufmerksamkeit, die man eigentlich selbst bräuchte. Neben dem Drama von Bruder oder Schwester gehen die eigenen Bedürfnisse oft unter. Manchmal erhalten die nach außen hin unauffälligen Kinder von den Eltern den Auftrag, sich um ihr “problematisches” Geschwister zu kümmern.

 

Partner_innen von suchtkranken Menschen versuchen oft auf jede nur erdenkliche Weise, diesen zur Überwindung seiner Abhängigkeit zu motivieren. Viele von ihnen kämpfen mit derselben Ausdauer gegen die Sucht des Partners/der Partnerin an, mit der sie einst Mutter oder Vater von der Sucht befreien wollten. Wieder erleben sie, dass ihr Einsatz vergeblich ist. Wie damals fühlen sie sich durch das Empfinden, für den anderen verantwortlich zu sein und ihn schützen zu müssen, an ihn gebunden.

 

Kindern von suchtkranken Eltern werden oft Erwachsenen-Aufgaben übertragen. Diese Umkehr der Verantwortungsaufteilung zwischen Eltern und Kindern wirkt sich negativ auf die Heranwachsenden aus. Die Anstrengungen des Kindes, Mutter oder Vater vom Alkohol- oder Drogenkonsum abzuhalten und den Eltern eine Stütze zu sein, bleiben weitgehend erfolglos. Das führt beim Kind, dessen Bedürfnisse ins Hintertreffen geraten, zu enormer Überforderung und einem grundlegenden Gefühl der Ohnmacht. Daraus resultieren die unzureichende Fähigkeit, sich um die eigenen Bedürfnisse zu kümmern sowie der Eindruck, auch im eigenen Leben nur wenig bewirken zu können.

Kinder, die einen oder gar zwei suchtkranke Elternteile haben, weisen ein vielfach erhöhtes Risiko auf, ebenfalls eine Abhängigkeit zu entwickeln oder eine Partnerschaft zu einem suchtkranken Menschen einzugehen.

 

Die Sucht eines Familienmitglieds hat, wie man sieht, Einfluss auf die gesamte Familiendynamik.

Familientherapie kann dabei helfen, Kommunikationsmuster zu entwickeln, die für alle Familienmitglieder gesünder sind.

Psychotherapeutische Behandlung

Menschen suchen in unterschiedlichen Phasen ihres als problematisch erlebten Konsums psychotherapeutische Hilfe auf. So wollen manche Personen überprüfen, ob ihr Konsum von Alkohol, Marihuana oder Ecstasy bereits abhängige Züge angenommen hat. Andere wiederum gestehen sich erstmals ein, dass sie die Kontrolle über ihren Drogengebrauch eingebüßt haben und dabei sind die Partnerschaft und/ oder den Arbeitsplatz zu verlieren.

 

Ein Überdenken der eigenen Konsummuster- und gewohnheiten kann der Entwicklung einer Abhängigkeit vorbeugen bzw. zum Wiedererlangen von Kontrolle beitragen.

Menschen haben oft bereits eine Reihe an Erfahrungen mit dem Drogenkonsum gesammelt, wenn sie einen Psychotherapeuten/eine Psychotherapeutin aufsuchen. Sie haben meistens gelernt, von einem problematischen in einen gemäßigten Konsum zurückzufinden oder diesen vorübergehend ganz einzustellen. Diese Erfahrungen können in der Therapie nutzbar gemacht werden.

Die Erwartung, die Abhängigkeit möglichst rasch hinter sich zu lassen, erzeugt oft einen der Genesung hinderlichen Leistungsdruck. Es geht vielmehr darum, realistische und gegenwärtig erreichbare Ziele zu formulieren.